Dienstag, 19. Februar 2008

Kleinstaaterei als einziger Ausweg?

Heute ein paar Fragen anläßlich der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo:

Weshalb braucht jede Volksgruppe und/oder religiöse Gemeinschaft ihren eigenen Staat?

Nach oft jahrelangen blutigen Auseinandersetzungen ist die Sehnsucht nach Frieden, Freiheit und Recht auf Selbstbestimmung überaus verständlich, aber: Kann dies tatsächlich nur auf dem Wege der Separation erreicht werden?

Bringt die Trennung nicht vielmehr neue Probleme mit sich, allen voran die Diskriminierung der nun entstandenen ethnischen/religiösen Minderheit, die oftmals zuvor die herrschende Klasse stellte, und deshalb so verhaßt ist, daß Racheaktionen gegen sie keine Seltenheit bleiben?

Auf diese Weise wird die Spirale der Gewalt nur schwer ein Ende finden.

Was wird aus den Serben im Kosovo oder den Juden in Palästina? Soll man sie zur Emigration zwingen, einen jeden in "seinen" Staat? Wird dadurch nicht neues Unrecht geschaffen?

Sind die Wunden so tief, daß einzig Stacheldraht und Grenzposten die Menschen davon abhalten, sich gegenseitig zu zerfleischen und in Stücke zu reißen?

Ja, das sind sie.

Wo aber bleibt das Ansinnen der Weltoffenheit, der Völkerverständigung, des kulturellen Austauschs, wenn jeder sich hinter seiner Grenze verschanzt und Andersartige ausgesperrt bleiben?

Wird damit nicht Nationalismus und Chauvinismus Vorschub geleistet?

Warum ist der Status einer weitgehend autonomen Region nicht ausreichend? Wenn Sprache, Religion und Bräuche keinem Zwang mehr unterworfen sind, wozu dann noch der eigene Staat?

Der Grund dafür liegt wohl darin, daß die zugesicherte Selbstbestimmung von der Zentralregierung allzu oft unterwandert und damit ad absurdum geführt wird.

Aber trifft dies z. B. im Falle des Baskenlandes zu? Oder gibt hier die Tatsache, daß das von Basken bewohnte und beanspruchte Gebiet sich über das Territorium zweier Staaten, Spanien und Frankreich, erstreckt, den Ausschlag für die Unabhängigkeitsbestrebungen? Endlich "ein einig Baskenland"?

Sollte eine Regierung, die Interesse an der Einheit ihres Staatsgefüges hat, nicht Sorge tragen, die Selbstentfaltung ihrer Volksgruppen zu ermöglichen?

Oder sind all diese Bemühungen hinfällig angesichts der Definition von "Nation" als "Abstammungsgemeinschaft", wonach jeder ethnischen Gemeinschaft ein eigener Nationalstaat zusteht?

Werden darum die Kurden in der Türkei drangsaliert, weil ihnen eine autonome kurdische Region nicht genügte, weil ihr Ziel ein vereinigtes "Kurdistan" wäre, einschließlich Gebieten des Irak, Irans und Syriens?

Oder sehnen sie sich nicht vielmehr nach Anerkennung - als Minderheit, mit eigener Sprache und zum Teil auch eigener Religion?

Erfreulicherweise hat sich die Akzeptanz der Kurden durch die türkische Regierung im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen in den letzten Jahren etwas verbessert. Es bleibt zu wünschen, daß dieser Konflikt in absehbarer Zeit einer friedlichen Lösung zugeführt werden kann, die hoffentlich von langer Dauer sein wird.

Etwa nach dem Vorbild Nordirlands, das von Irland als Teil Großbritanniens anerkannt wurde, aber für die Zukunft die Option einer Wiedervereinigung nicht gänzlich ausschließt, sollte sich die Mehrheit der nordirischen Bevölkerung dafür aussprechen.

Das wirksamste Mittel gegen Völkermord und Rassenhaß heißt Toleranz und Aufklärung. Nicht die Verschiedenheit der einzelnen Volksgruppen sollte betont werden, sondern ihre Gemeinsamkeiten als bindendes Element. So kann eine Nation Menschen mit unterschiedlicher Herkunft/Religion gemeinsame Heimat sein.

Mögen auch Albaner, Serben und Kosovaren einander eines Tages in Freundschaft in der EU begegnen!

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