Mittwoch, 27. Februar 2008

Zähneknirschen, Kieferknacken

So manchem scheint die Unterscheidung zwischen den Homonymen Kiefer1 und Kiefer2 große Schwierigkeiten zu bereiten, wie folgendes Zitat beweist:

"Es war ein tiefes, herzhaftes Gähnen, das ihre Kiefern [!] knacken ließ (...)."

Zur Erklärung eine Gegenüberstellung der Wörterbucheinträge für Kiefer1 und Kiefer2 (aus: Duden, Bd. 1, Die deutsche Rechtschreibung):

1. Kie|fer, die; -, -n (ein Nadelbaum)

2. Kie|fer, der; -s, - (ein Schädelknochen)

Kiefer1 hat feminines Genus und im Plural in allen vier Kasus ein "-n" als Kasusmarker. Kiefer2 hingegen ist ein Maskulinum, das einzig im Dat. Pl. den Kasusmarker "-n" nimmt, im Nom., Gen. und Akk. Pl. jedoch endungslos bleibt.

Da das oben angeführte Zitat eindeutig auf Kiefer2 Bezug nimmt, sollte der dort verwendete Akk. Pl. demnach grammatisch korrekt "Kiefer" lauten.

Also: "Es war ein tiefes, herzhaftes Gähnen, das ihre Kiefer knacken ließ (...)."

Ein paar Beispielsätze:

Kiefer1:
Nom. Pl.: "Die Kiefern wiegten sich sanft im Sommerwind."
Gen. Pl.: "Die Stämme der Kiefern hatten alle einen ähnlichen Umfang."
Dat. Pl.: "Mit den Kiefern verschwanden auch die Buchen, Birken und Eichen."
Akk. Pl.: "Sie gingen in den Wald und betrachteten die Kiefern, die seit dem letzten Sommer ein gutes Stück gewachsen waren."

Kiefer2:
Nom. Pl.: "Seine Kiefer schmerzten."
Gen. Pl.: "Der zunehmende Verschleiß seiner Kiefer beunruhigte ihn."
Dat. Pl.: "Es wird davon abgeraten, Nüsse mit den Kiefern aufzuknacken."
Akk. Pl.: "Durch den täglichen Verzehr von Haferflocken hatte sie ihre Kiefer arg strapaziert."


Das zornige Mammut verabschiedet sich für heute zähneknirschend mit zwei hölzernen Merksätzen:

Wenn Kiefern knacken, Stämme brechen,
kann diese nicht der Orthopäde retten.

Kranke Kiefer, die dich plagen? -
Kein Grund, den Holzfäller zu fragen!

Donnerstag, 21. Februar 2008

Bildungsnotstand manifestiert sich in Deutschland

Wieder einmal offenbarte ein öffentlich-rechtlicher Rundfunksprecher einen gravierenden Mangel an Allgemeinbildung: Durch wiederholte Fehlbetonung des Wortes "Manifest" wurde seine Unkenntnis diesen Begriff betreffend überdeutlich. Er sagte "Mánifest" mit Betonung auf der ersten Silbe, doch es handelt sich hier um ein endbetontes Fremdwort und muß also "Manifést" heißen.

Sollte inzwischen selbst bei einem vermeintlich seriösen Radiosender wie mdr info der Qualitätsanspruch so weit gesunken sein, daß solche Fehlleistungen von Moderatoren unbemerkt bleiben und - noch schlimmer - ständig wiederholt werden ?

Vielleicht ist es an der Zeit, den Sender zu wechseln.

Mittwoch, 20. Februar 2008

Nachtrag: Kleinstaaterei

Ja natürlich, ich habe gestern die zwei wichtigsten Beweggründe für das Streben nach nationaler Eigenständigkeit völlig außer acht gelassen: Neid und Mißgunst.

Beispiel Belgien: Die Flamen mißgönnen den wirtschaftlich weit weniger erfolgreichen Wallonen die aus ihrer Sicht unverdiente Teilhabe an ihren Gütern und Errungenschaften. Die Wallonen ihrerseits pochen auf den segensreichen Finanzausgleich, als sei er ein Naturgesetz.

Gleiches gilt für Katalonien, das sich nur zu gern völlig vom Rest Spaniens distanzieren würde, um seine Prosperität ungeteilt zu genießen.

Sollte diese Denkart Schule machen, wird demnächst in Deutschland vielleicht die Mauer wieder aufgebaut. Oder Bayern erklärt sich zum souveränen Staat...

Das sind ja schöne Aussichten!

Dienstag, 19. Februar 2008

Kleinstaaterei als einziger Ausweg?

Heute ein paar Fragen anläßlich der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo:

Weshalb braucht jede Volksgruppe und/oder religiöse Gemeinschaft ihren eigenen Staat?

Nach oft jahrelangen blutigen Auseinandersetzungen ist die Sehnsucht nach Frieden, Freiheit und Recht auf Selbstbestimmung überaus verständlich, aber: Kann dies tatsächlich nur auf dem Wege der Separation erreicht werden?

Bringt die Trennung nicht vielmehr neue Probleme mit sich, allen voran die Diskriminierung der nun entstandenen ethnischen/religiösen Minderheit, die oftmals zuvor die herrschende Klasse stellte, und deshalb so verhaßt ist, daß Racheaktionen gegen sie keine Seltenheit bleiben?

Auf diese Weise wird die Spirale der Gewalt nur schwer ein Ende finden.

Was wird aus den Serben im Kosovo oder den Juden in Palästina? Soll man sie zur Emigration zwingen, einen jeden in "seinen" Staat? Wird dadurch nicht neues Unrecht geschaffen?

Sind die Wunden so tief, daß einzig Stacheldraht und Grenzposten die Menschen davon abhalten, sich gegenseitig zu zerfleischen und in Stücke zu reißen?

Ja, das sind sie.

Wo aber bleibt das Ansinnen der Weltoffenheit, der Völkerverständigung, des kulturellen Austauschs, wenn jeder sich hinter seiner Grenze verschanzt und Andersartige ausgesperrt bleiben?

Wird damit nicht Nationalismus und Chauvinismus Vorschub geleistet?

Warum ist der Status einer weitgehend autonomen Region nicht ausreichend? Wenn Sprache, Religion und Bräuche keinem Zwang mehr unterworfen sind, wozu dann noch der eigene Staat?

Der Grund dafür liegt wohl darin, daß die zugesicherte Selbstbestimmung von der Zentralregierung allzu oft unterwandert und damit ad absurdum geführt wird.

Aber trifft dies z. B. im Falle des Baskenlandes zu? Oder gibt hier die Tatsache, daß das von Basken bewohnte und beanspruchte Gebiet sich über das Territorium zweier Staaten, Spanien und Frankreich, erstreckt, den Ausschlag für die Unabhängigkeitsbestrebungen? Endlich "ein einig Baskenland"?

Sollte eine Regierung, die Interesse an der Einheit ihres Staatsgefüges hat, nicht Sorge tragen, die Selbstentfaltung ihrer Volksgruppen zu ermöglichen?

Oder sind all diese Bemühungen hinfällig angesichts der Definition von "Nation" als "Abstammungsgemeinschaft", wonach jeder ethnischen Gemeinschaft ein eigener Nationalstaat zusteht?

Werden darum die Kurden in der Türkei drangsaliert, weil ihnen eine autonome kurdische Region nicht genügte, weil ihr Ziel ein vereinigtes "Kurdistan" wäre, einschließlich Gebieten des Irak, Irans und Syriens?

Oder sehnen sie sich nicht vielmehr nach Anerkennung - als Minderheit, mit eigener Sprache und zum Teil auch eigener Religion?

Erfreulicherweise hat sich die Akzeptanz der Kurden durch die türkische Regierung im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen in den letzten Jahren etwas verbessert. Es bleibt zu wünschen, daß dieser Konflikt in absehbarer Zeit einer friedlichen Lösung zugeführt werden kann, die hoffentlich von langer Dauer sein wird.

Etwa nach dem Vorbild Nordirlands, das von Irland als Teil Großbritanniens anerkannt wurde, aber für die Zukunft die Option einer Wiedervereinigung nicht gänzlich ausschließt, sollte sich die Mehrheit der nordirischen Bevölkerung dafür aussprechen.

Das wirksamste Mittel gegen Völkermord und Rassenhaß heißt Toleranz und Aufklärung. Nicht die Verschiedenheit der einzelnen Volksgruppen sollte betont werden, sondern ihre Gemeinsamkeiten als bindendes Element. So kann eine Nation Menschen mit unterschiedlicher Herkunft/Religion gemeinsame Heimat sein.

Mögen auch Albaner, Serben und Kosovaren einander eines Tages in Freundschaft in der EU begegnen!

Samstag, 16. Februar 2008

"Journalist", und nicht "Dschornalist"!

Warum gibt es kaum noch jemanden, der [ʒurna'lɪst] sagt? Liegt es daran, daß Englisch so modern ist? Oder können die einfach nur kein Französisch?

Merkwürdigerweise wird "Journalist" im englischen Sprachraum aber ['dʒɜ:nəlɪst] ausgesprochen.

Somit handelt es sich bei [dʒorna'lɪst] um eine Aussprachevariante, die weder im Englischen noch im Französischen korrekt ist. Eine Chimäre, die von all jenen gebraucht wird, die weder richtig Englisch noch Französisch sprechen. Und Deutsch schon gar nicht. Sonst wüßten sie nämlich, daß das Deutsche im Falle von "Journalist" auf die französische Aussprache zurückgreift.

Die Freunde des Sprachwandels werden den Kopf schütteln ob meiner Klage. Sie werden sagen: "Sprache verändert sich, sie hat sich immer verändert." Womit sie natürlich recht haben.

Und in der Entwicklung von ['dʒɜ:nəlɪst] hin zu [dʒorna'lɪst] würden sie vermutlich ein erfreuliches Zeichen der Anpassung an das Lautsystem der deutschen Sprache sehen.

Womit dann auch diejenigen das passende Argument hätten, die [ʃorna'lɪst] (oder noch besser: ['ʃornalɪst]) sagen. Das ist dann wenigstens konsequent.

Ein Hoch auf die Assimilation!

Sonntag, 10. Februar 2008

Kuriositätenkabinett

Welch seltsame Blüten treibt doch die Sprache bisweilen...

Nachfolgend drei Unfälle aus der Sprachproduktion, die sich am gestrigen Samstag in Funk und Fernsehen ereigneten:

1.) "Wir hinken soweit zurück." - Gemeint war eigentlich: "Wir liegen soweit zurück."

Fazit: Es handelt sich dabei wohl um eine unfreiwillige Wortkreuzung (Kontamination) aus "hinterherhinken" und "zurückliegen".


2.) "Ich habe eine gute Beziehung mit dem Trainer."

Vielleicht führen Spieler und Trainer tatsächlich eine glückliche Paarbeziehung, man weiß es nicht. Selbst in diesem Falle wäre jedoch die gewählte syntaktische Struktur nur im mündlichen Sprachgebrauch akzeptabel. Eine wie auch immer geartete Beziehung erfordert mindestens zwei Beteiligte, deshalb sollte folgender Variante (ohne Präpositionalobjekt) der Vorzug gegeben werden: "(Der Trainer und ich,) Wir führen eine gute/glückliche Beziehung."

Die (vermutlich) vom Sportler intendierte Aussage hätte hingegen lauten müssen: "Ich habe eine gute Beziehung zum Trainer."

Bei dieser Formulierung kann der Sprecher sicher sein, daß seine Äußerung nicht mißverstanden wird.

Noch besser wäre es allerdings, zu sagen: "Ich habe ein gutes Verhältnis zum Trainer" bzw. "Mein Verhältnis zum Trainer ist gut".

(Auch hier würde wiederum die Verwendung der Präposition mit auf eine amouröse Zweierbeziehung schließen lassen.)


Und nun zum dritten Fall aus der Rubrik "Gewollt und nicht gekonnt":

"(...) ohne dabei an Autorität einzubüßen."

Erneut eine unfreiwillige Wortkreuzung (Kontamination); dieses Mal aus "etwas einbüßen" und "an etwas verlieren". "einbüßen" steht niemals zusammen mit der Präposition an! Es hätte also richtig heißen müssen: "(...) ohne dabei Autorität einzubüßen" bzw. "(...) ohne dabei an Autorität zu verlieren".

Ja, natürlich ist Irren menschlich und niemand vor Fehlern gefeit. Auch das Mammut nicht. Gleichwohl kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, der schon im Altertum befürchtete Untergang des Abendlandes stünde nun unmittelbar bevor.

Wie wäre es mit etwas mehr Self-Monitoring?

Freitag, 8. Februar 2008

"Brötchen" vs. "Semmel"?

Heute ist das Mammut einmal nicht zornig, sondern nur nachdenklich. Wie das?

Mammut war zu Besuch in Semmelland. Es wollte seinen hungrigen Magen mit etwas füllen, also verfiel es auf den Gedanken, sich ein belegtes Brötchen zu kaufen. Darum begab es sich in eine Bäckerei (neudeutsch: "Back-Shop") und mußte nun dort der Verkäuferin mitteilen, worauf seine Wahl gefallen war. Auf dem Schild in der Auslage war zu lesen "Käsesemmel". Was tun? Verlangt man ein "Käsebrötchen" und riskiert, nicht verstanden bzw. schief angeguckt zu werden, oder überwindet man seine Hemmungen, sich eines fremden Idioms zu bedienen, und bestellt brav, was auf dem Schild steht?

Mammut wollte keinen Zusammenprall der Kulturen provozieren und fügte sich widerwillig. Verräter. Feigling. Opportunist.

Seither kann es jedoch nicht aufhören, sich nach der Herkunft der zwei unterschiedlichen Wörter zu fragen und zog deshalb ein etymologisches Wörterbuch zu Rate*. Hier das Ergebnis der Konsultation:

Das von "Brot" derivierte Diminutivum "Brötchen" mit der Bedeutung "kleines brotförmiges Gebäck, Semmel" ist seit dem 18. Jh. gebräuchlich.

"Semmel" leitet sich ab von lat. simila "feingemahlenes Weizenmehl". Bereits im Mittelhochdeutschen entwickelte sich dann die Bedeutung "Brot aus Weizenmehl; Brötchen". Das Wort "Semmel" wurde folglich schon sehr viel früher als das Wort "Brötchen" zur Bezeichnung des Weizenbackwerks verwendet.

Es wäre interessant, in die Kulturgeschichte der Semmel/des Brötchens einzutauchen, um herauszufinden, ob das kleingestaltige Weizengebäck eine Erfindung der Süddeutschen ist. Oder vielleicht sogar der alten Römer?

Oder aber die Wahl der Benennung sagt nichts über die Entstehung aus, sondern beleuchtet nur zwei verschiedene Aspekte desselben Referenten/Denotats: "Semmel" nähme demnach Bezug auf das Material/die Zutat bzw. den Hauptbestandteil, aus dem das Gebäck gefertigt wird. "Brötchen" hingegen referierte dann auf dessen äußere Gestalt bzw. Form.

So handelt es sich denn bei "Semmel" und "Brötchen" ausschließlich um regionale Varianten, ohne daß sich daraus eine Wertung ableiten ließe.


*Drosdowski, Günther (Hrsg.) (1989): Duden >>Etymologie<<: Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. 2., völlig neu bearb. u. erw. Aufl. Der Duden, Bd. 7, Mannheim, Wien, Zürich.

Montag, 4. Februar 2008

"gehängt" vs. "gehangen" oder: Die Anziehungskraft der Unwissenheit

Was macht Ignoranz so attraktiv? Warum haben gedankenlose Personen allem Anschein nach Spaß daran, die intransitive Perfektform von "hängen" ("gehangen") zu verwenden, wo eigentlich die transitive ("gehängt") angebracht wäre?

Besonders weit verbreitet ist diese Unart unter den Mitarbeitern einer namhaften Fast-Food-Kette. Dort hört man dann schreckliche Sätze wie z. B.: "Hast Du schon Patties gehangen?" Antwortet man darauf korrekt: "Ich habe den Korb in die Friteuse gehängt", stößt man auf Unverständnis oder im schlimmsten Falle sogar auf Mißbilligung und Ablehnung.

Doch auch im privaten Umgang bleibt man von derlei Auswüchsen nicht immer verschont. So kann es passieren, daß man mit einer Aussage wie "Er hat die Wäsche aufgehangen" konfrontiert wird. Dann schüttelt man sich innerlich und möchte am liebsten laut schreien (und manchmal tut man es auch): "Er hat die Wäsche aufgehängt!!!"

Leider verhallen solche Zurechtweisungen in der Regel, ohne einen Lerneffekt beim Gegenüber zu bewirken. Daher ist es nicht ausgeschlossen, daß dem geplagten Grammatikliebhaber bereits wenig später etwas zu Ohren kommt wie "Sie hat das Bild an die Wand gehangen."

Diese beharrliche Stupidität treibt den Adressaten dieser Abscheulichkeit fast in den Wahnsinn und für einen Augenblick ist er geneigt zu wünschen, das Bild wäre dem Sender derselbigen auf den Kopf gefallen, damit er endlich versteht, daß es heißen muß: "Sie hat das Bild an die Wand gehängt."!!!

Besserung ist nicht in Sicht. Vielleicht lesen Sie deshalb bald an dieser Stelle: "Das Mammut schreibt nicht mehr. Es hat sich vor Kummer aufgehängt."