Montag, 16. Juni 2008

Integration und nationale Identität

Eine Frage hinsichtlich der allseits präsenten Fußball-Euphorie:

Wie kommt es, daß in Deutschland geborene Türken Fans der türkischen Elf sind, während im Ausland lebende Deutsche (in Deutschland geboren) zu Anhängern der Nationalmannschaft ihres jeweiligen neuen Heimatlandes (z. B. Polen, Brasilien) werden?

Als einzig mögliche Antwort auf diese Frage steht zu vermuten, es müsse an der mangelnden Integration der türkischstämmigen Deutschen liegen. Sie fühlen sich nicht als deutsche Staatsbürger, also können sie sich auch nicht mit der zugehörigen Fußball-Auswahl identifizieren. Klingt folgerichtig, oder?

Läßt diese Erkenntnis nun automatisch den Umkehrschluß zu, andere Nationen verstünden es besser, ihre Zuwanderer zu integrieren, weil deutsche Immigranten relativ schnell die Anschauungen ihrer Wahlheimat übernehmen?

Oder liegt es vielmehr an dem nicht bis kaum vorhandenen Nationalgefühl der Deutschen, daß sie sich in einer fremden Umgebung leicht anpassen können und wollen? Haben wir nicht alle immer noch ein mehr oder minder schlechtes Gewissen dabei, auf unser Land stolz zu sein, als Spätfolge von WK II und Nazi-Mitläufertum?

Die Vernünftigen werden einwenden: Es gibt keinen Grund, auf seine Abstammung stolz zu sein, da sie nicht unser Verdienst, sondern Zufall ist! - Stimmt natürlich, aber würden beispielsweise Brasilianer oder Türken dies genauso sehen? Ist es deshalb so attraktiv, Anhänger von deren Fußballnationalmannschaften zu sein, weil man hier unverkrampft und ganz selbstverständlich für seine Nation jubeln und skandieren darf?

Aber seit der WM 2006 hat sich diesbezüglich ja auch in Deutschland einiges getan, wie wir alle festgestellt haben dürften... Trotzdem bleibt die Frage, ob es Deutschen womöglich peinlich ist, im Ausland zu "ihrer" Mannschaft zu stehen?

Oder gibt ein Deutscher, der dauerhaft in einem anderen Land lebt, seine "alte" Identität völlig auf, um sich gänzlich in der neuen Heimat zu assimilieren, d. h. hört er auf, Deutscher zu sein?

Fragen über Fragen.

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